Die Österliche Bußzeit - Weg zur Vorbereitung auf Ostern
17. Februar 2010
In der Geschichte und Tradition des liturgischen Lebens des Volkes Gottes hat sich die Österliche Bußzeit zu einer Zeit der Vorbereitung auf die drei österlichen Tage entwickelt: die Tage vom Leiden, vom Tod und von der Auferstehung des Herrn, der die eigentliche Mitte der christlichen Liturgie ist. In dieser Vorbereitungszeit ist jede/r Getaufte/r persönlich, aber auch die ganze christliche Gemeinde gemeinsam mit Jesus auf Pilgerfahrt nach Jerusalem.
Die Österliche Bußzeit mag im ersten Moment als eine düstere Zeit scheinen, bei näherer Betrachtung ist sie es aber keineswegs, vielmehr ruft sie die Getauften auf, Jesus in Liebe als Meister, als Vorbild und Beispiel nachzufolgen - sowohl in seinem Verhalten bei den Versuchungen in der Wüste als auch in der hochherzigen Entscheidung, den Willen des himmlischen Vaters konsequent zu tun und damit der Welt die rettende Liebe Gottes zu offenbaren: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3, 16-17)
Die Liebe Gottes offenbart sich uns und bezieht uns mit ein in das Heilsgeschehen - mit dem Gebot, das Jesus seinen Jüngern und der ganzen Kirche hinterlassen hat: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ (Joh 15, 12-14)
Wenn wir die Österliche Bußzeit als eine Entwicklung, einen Weg hin zum großen Mysterium der Osternacht betrachten, bemerken wir prägende Elemente, deren Dynamik uns auf diesem Weg führen will. Diese Elemente ziehen sich wie ein roter Faden durch die Zeit und kommen in liturgischen Handlungen, wie z.B. beim Aschenkreuz, bei Bußgottesdiensten und beim Eucharistischen Gottesdienst, durch eine sehr gezielte Auswahl der Gebete und Bibeltexte besonders zum Ausdruck.
Die ersten zwei Elemente sind das Sakrament der Taufe und das Sakrament der Vergebung und Versöhnung. Diese zwei Sakramente rufen die Gemeinde der Getauften in jedem einzelnen ihrer Mitglieder dazu auf, die Wurzel der eigenen christlichen Freiheit und der Gotteskindschaft in Jesus Christus neu zu entdecken.
Durch die Taufe gehen wir vom Tod, der aus der Sünde kam, zum Leben im Geiste über. Durch das Sakrament der Vergebung und Versöhnung werden wir durch das erlösende Opfer Christi mit dem himmlischen Vater versöhnt.
Diese Elemente gilt es in der Österlichen Bußzeit neu zu entdecken. Der tiefste Sinn dieser Neuentdeckung, dieser Erfahrung ist die Neugestaltung des Lebens im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes und im Dienst an den Schwestern und Brüdern unserer Zeit.
Das dritte Element, das den österlichen Buß-Weg kennzeichnet, ist das Hören auf das Wort Gottes - ein Hören, das als eine heilende Begegnung zu erfahren ist, die zu einer höheren Glaubensqualität hinführen soll. In Zusammenhang mit diesem dritten Element ist es wichtig, dass dieses Hören nicht irgendwann sondern konkret jetzt, heute stattfinden soll.
Die Betonung auf das „Heute“ ist besonders hervorzuheben. Heute spricht Gott immer noch zu uns Menschen durch Christus und sein Wort, das uns in den Gottesdiensten der Fastenzeit vorgetragen wird, unser Innerstes erreicht. Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – offenbart im Wort sein Leben und zugleich den Weg, um in ihm einzugehen.
Das Wort Gottes ist ein Angebot der Liebe. Durch jedes Wort, das aus dem Mund Gottes kommt, steht der Herr vor der Tür unseres Herzens und klopft an. Es ist unsere freie Entscheidung, sein Wort anzunehmen oder abzulehnen, ihn einzulassen oder uns zu verschließen!
Eine weitere Eigenschaft der Österlichen Bußzeit, eine weitere Möglichkeit diese Zeit zu nutzen, ist die Askese bzw. die Enthaltsamkeit. In diesen Begriffen sind viele Facetten enthalten: Beherrschung, Langmut, Beruhigung, Ruhe, Gefasstheit, Zurückhaltung, Anspruchslosigkeit, Bedürfnislosigkeit, Besänftigung, Ausgeglichenheit, Bedacht, Bescheidenheit, Genügsamkeit, Beschwichtigung, Besonnenheit, Gleichgewicht, Gemessenheit, Beschränkung, Disziplin, Mäßigung, Gelassenheit, Fassung, Geduld, Sparsamkeit, Abstinenz, Selbstbeherrschung und Umsicht. In all diesen Begriffen finden wir die Dynamik des Dialogs, der Beziehung zwischen dem Menschen und Gott wieder. Wenn wir dies in Betracht ziehen, dann wird die Österliche Bußzeit zur Zeit der Umkehr.
Die Elemente der Stille und des Fastens werden so zu Gelegenheiten zur Läuterung und zur Vereinfachung des Lebens, zu einer Art von „Nüchternheit“, die unsere Offenheit Gott gegenüber anspornt. Ein einfaches Herz ist freier und bereiter, dem Wort zu lauschen, das unser Leben retten kann.
Aus dem Hören wächst die freimütige Antwort des Menschen: das Gebet des Herzens, das den Willen dazu bewegt, aus dem Schlaf des Unglaubens zu erwachen, und bei Gott die Gnadengabe der Bekehrung zu erbitten. Die Bekehrung wiederum findet ihren Niederschlag in konkreten Taten der Nächstenliebe, die über die Schatten von Begeisterung und Ablehnung, von Sympathien und Antipathien springen.
Die Österliche Bußzeit ist also die Zeit der Rückkehr zu Gott!
Sie ist die Zeit, erneut Gott auf den ersten Platz im eigenen Leben zu stellen. Sie ist die Zeit, das eigene Dasein in allen positiven Nuancen zu leben, indem man es im Gleichgewicht zwischen den Zehn Geboten und dem Liebesgebot hält.
Darüber hinaus ist dies die Zeit, um in sich und um sich Abstand von Unordnung und Sünde zu nehmen, damit das Reich Gottes wachsen kann.
In der Umkehr wächst die Bereitschaft, Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem nachzufolgen, wo er das Geheimnis der Erlösung vollbringen wird. Jesus öffnet den Seinen, der Kirche und damit einem jeden von uns den Weg. Jerusalem ist das Ziel des Weges in der Fastenzeit: es ist der Ort, wo Jesus offenbart, wie viel und bis zu welcher Konsequenz der himmlische Vater uns liebt, und bis wohin auch wir berufen sind, alle zu lieben, besonders die „Sünder“.
Der Weg der Österlichen Bußzeit verwirklicht seinen Zweck, indem er zu den Türen des Abendmahlsaales hinführt, wo Jesus Christus die Eucharistie gründet und sich als Brot des Lebens verschenkt.