Geliebt, berufen und gesandt

19. Juni 2020

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen. (Mt 10,37-42)

„Wenn wir innehalten und diesen Abschnitt des Matthäusevangeliums betrachten, der gewöhnlich Aussendungsrede genannt wird, dann bemerken wir all jene Aspekte, die die missionarische Tätigkeit einer christlichen Gemeinschaft, die dem Vorbild und der Lehre Jesu treu bleiben will, kennzeichnen. Wer dem Ruf Jesu entsprechen will, muss mit Klugheit und Arglosigkeit jeder Gefahr und sogar den Verfolgungen gegenübertreten, denn »ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn« (Mt 10,24).

Eins geworden mit dem Meister, sind die Jünger nicht mehr allein bei der Verkündigung des Himmelreiches, sondern Jesus selbst wirkt in ihnen. »Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat« (Mt 10,40). Darüber hinaus verkündigen sie als wahre Zeugen, »mit der Kraft aus der Höhe erfüllt« (Lk 24,49), allen Völkern, »sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden« (Lk 24,47)“ - diesen Evangeliumskommentar verfasste Papst emer. Benedikt XVI. für die Sonntagsbibel (Benno Verlag, Leipzig) und stellte darin klar, dass die missionarische Tätigkeit einer christlichen Gemeinschaft ein wesentliches und unabdingbares Merkmal dieser ist!

Christliche Gemeinschaften – das sind im immer noch so genannten „christlichen Abendland“ unsere Familien, unsere persönlichen Wirkungsbereiche, unsere Pfarren, unsere Gemeinden – all jene Strukturen, in die wir uns persönlich einbringen.

Persönlich – jeder von uns ist Missionarin, ist Missionar, berufen und legitimiert durch das Sakrament der Taufe, gestärkt durch den Hl. Geist, den wir im Sakrament der Firmung erhalten durften.

Aber entspricht dies der Realität? Kommen wir diesem Auftrag tatsächlich nach?
Werfen wir einen kurzen Blick auf die von Statistik Austria (statistika.com) zur Verfügung gestellten Daten: Ende 2019 lebten in Österreich 8.859.000 Menschen; davon bekannten sich 4.980.000 zum Katholizismus, 775.000 waren orthodoxe, 285.128 evangelische Christen. Die Zahl der evangelikalen und der freikirchlichen Christen wurde nicht erfasst. Von den Befragten gaben 2% an, mehrmals wöchentlich Gottesdienste zu besuchen, 13% einmal wöchentlich. Und der Rest – von ab und zu bis nie! Österreich ist zu einem Missionsland geworden! Wir brauchen beim Wort „Mission“ nicht mehr an ferne Kontinente, an ferne Länder denken – unsere Missionsgebiete liegen in den eigenen vier Wänden, direkt vor unserer Haustüre!

Was tun? Was tun, um dem Missionsauftrag der „Aussendungsrede“ gerecht zu werden? Was tun, um unserem persönlichen, unserem direkt von Jesus Christus an uns ergangenen Wirkungsauftrag zu entsprechen?

Da gibt es viele Möglichkeiten! Zunächst – wir müssen zu unserem Glauben klar Stellung beziehen, ihn nicht nur als „Privatsache“ sehen. Wir müssen ihn vertreten, für ihn eintreten – in unseren Familien, in unserer Nachbarschaft, in unserem Umfeld. Das ist sicher nicht immer ganz einfach und erfordert einiges an Mut und Zivilcourage. Aber unser unmittelbares Umfeld muss erkennen, dass wir Christen sind! Unser persönliches Leben, unser persönliches Verhalten muss überzeugend sein!

Und ein zweites: wir müssen uns als christliche Gemeinde öffnen. Wir dürfen nicht länger in unserem eigenen Saft dahin schmoren, nicht länger in geschlossenen Zirkeln verkehren, in denen uns nichts und niemand stört. Wir müssen offen sein für alle, die auf der Suche sind, auf der Suche nach Gott, nach Lebenssinn, nach Lebensfreude! Und wir müssen versuchen, unsere Werte, unsere christlichen Werte jenen schmackhaft zu machen, die dafür empfänglich sind. Nicht jeder den traditionellen, christlichen Traditionen Fernstehende ist ablehnend gegenüber Gott, der Kirche; viele haben einfach noch keinen Zugang gefunden, haben die Hemmschwelle noch nicht überschritten!

In unserer Pfarre wurden in letzter Zeit einige Initiativen in Richtung Missionierung, in Richtung Neuentdecken des Schatzes des Evangeliums begonnen, die auch in Zukunft fortgesetzt werden sollen.

In der Franziskusschule werden die Evangelien der kommenden Sonntage erarbeitet. Jeder Teilnehmer sagt, was ihn besonders berührt hat, was er gar nicht verstehen kann, wo er gänzlich anderer Meinung ist.

Bei den Alphakursen für Jugendliche und für Erwachsene, die ihre Fortsetzung in den more&more-Treffen finden, steht zunächst das unvoreingenommene Kennenlernen im Vordergrund. Man trifft sich, isst gemeinsam, plaudert – kurz, man lernt sich kennen. Man wird danach an ein Glaubensthema herangeführt, sieht sich einen medialen Vortrag an, diskutiert darüber – und dies alles in zwangloser, amikaler Atmosphäre. Man knüpft Beziehung – Beziehung zu Gott durch Beziehung zu den Mitmenschen.

Bei den Alphakursen trifft sich alles – Kirchgänger und Fernstehende, Menschen fest verankert im christlichen Glauben, die Gott bereits gefunden haben und Suchende auf dem Weg! Hier steht die Türe jedem offen; hier, aber auch bei allen anderen Veranstaltungen der Pfarre, sind alle willkommen!

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